Zeit
des Nationalsozialismus 1933 – 1939
Partei und
Kirche.
Der Wirbel der Wirtschaftskrise von 1931 war im
Nordschwarzwald besonders spürbar. Die empfindliche
Goldstadt Pforzheim hatte viele Arbeitslose aus den
Nachbardörfern. Auch die Kurorte hatten
weniger Gäste als sonst. Die Lungenheilanstalten mussten
Personal entlassen, weil sie schwach belegt waren. Die jungen
Leute fanden keine Lehrstellen. In den hiesigen Anstalten waren
Patienten, die Zeit zum Politisieren hatten und Reklame für
die Nationalsozialisten machten. Sie hielten sich nicht bloß
an ihre Leidensgenossen sondern warben auch
zielbewusst bei den Angestellten und überhaupt wo sie
vermuteten Gehör zu finden.
Man erzählt noch heute von einem
Oberleutnant Klingmüller, der aus russischer Gefangenschaft
kam und stolz auf die Parteinummer 100 war. Der erste Apostel
der Nazi in Schömberg wurde sein Titel. Vor dem 30.
Januar 1933 waren in Schömberg nur wenige Männer als
Parteigenossen eingeschrieben. Aber mit der Machtergreifung
Hitlers wurde Schömberg rasch ein ausgesprochener Naziort.
Von kirchlicher Seite wurde das dadurch unterstützt,
dass der Dekan und etliche Pfarrer ausgesprochene Anhänger
Hitlers waren. Auch der Abgeordnete zum Landeskirchentag,
Hauptlehrer Fick in Höfen, war Deutscher Christ.
Der Pfarrer in Schömberg, Ernst
Gaiser, zuvor Stadtpfarrer in Liebenzell, war von Haus aus dem
Pietismus zugehörig, ein Stiller im Lande. Aber auch ihn
hatte die neue Bewegung erfasst, wie merkwürdigerweise
gerade Stundenleute im Anfang der nazistischen Werbung nicht
ablehnend gegenüberstanden. Hitler und seine Leute haben ja
bis zur Machtergreifung sich als christliche Partei maskiert.
Gaiser strebte es an, dass der gesamte Kirchengemeinderat sich
als Deutsche Christen erklären. Ein Bäckermeister, der
vor kurzem starb, hat mir erzählt, er habe bei der
Befragung im Kirchengemeinderat gesagt. „ ha, Christ
ben e emmer gwäh, ond e Deutscher au, warom net; erscht
henterher isch mer a Seifesieder ufgange.“
Pfarrer Gaiser hatte noch einen Grund, PG zu werden. Im
Herbst 1933 wurde die Kirche 100 Jahre alt. Die Baulast hatte
der Staat. Der Finanzminister Dehlinger war trotz seiner
bekannten Sparsamkeit bereit, die staatliche Verpflichtung
anzuerkennen. Die staatliche Bauleitung übernahm die
Ausführung. Die Einweihung wurde auf den hundertsten
Geburtstag gelegt. Gaiser hat bei diesem Anlass eine Festschrift
von 47 Seiten verfasst. Es ist eine fleißige historische
Arbeit. Es ist aber auch zu ersehen, dass die jüngeren
Pfarrer in Hitler den Retter Deutschlands und der evangelischen
Kirche erwarteten. Ich zitiere einige Sätze:
„Ein neues Hoffen geht durch unser Volk, es hat mit
besonderer Macht und Begeisterung unsere deutsche Jugend
erfasst. Freilich, eine Welt von Feinden umgibt unser „Drittes
Reich“. Wir wissen um die, die noch nicht mitkönnen
mit der neuen Zeit.“ (siehe Seite
9 der Festschrift 100 Jahre)
Die
hundertjährige Feier sei gut gelungen. Die Gliederungen der
Partei marschierten auf. Hakenkreuzfahnen schmückten die
Kirche.
Die neu ausgestattete 100 Jahre alte
Kirche war örtlich wichtiger als die schweren Kämpfe
der württembergischen und gesamtdeutschen Kirche. Gaiser
war wohl schon bei der Einweihung von Behm und Konsorten
kuriert. Er empörte sich, wie wir fast alle, an die
Auslieferung der Jugendverbände an Baldur von Schirach. Von
Anfang an war Gaiser sehr zurückhaltend gegenüber
seinem Herrn Dekan und den ganz radikalen deutsch christlichen
Kollegen.
Vor der Einweihung der Kirche war dem
Kirchengemeinderat der Direktor der neuen Heilanstalt zugewählt
worden. Er war PG und musste auf 2 Achseln Wasser tragen. Der
Bürgermeister, ein an sich braver Mann, war natürlich
auch PG. Er musste nach der Pfeife der Ortsgruppe marschieren.
Der Ortsgruppenleiter war der entscheidende Mann. Er war
ursprünglich ein Patient der NH, ein Bankbeamter von
Norddeutschland, Karl Stöcker, dem es nun Spaß
machte, das Schwarzwalddorf zu kommandieren.
Die Sanatorien wurden auch an der Kandare genommen. Jeder
musste einen Obmann haben, der das Personal kommandiert und
zudem die Leitungen bespitzelt. Keiner der Chefärzte war
ursprünglich PG. Der eine soll einmal einmal Freimaurer
gewesen; ein anderer ein Stahlhelmer, der dritte ein Militarist
alten Schlags. Zwei wurden PG ohne Überzeugung.
Bei meinen Besuchen in Schömberg fiel mir auf, wie
vorsichtig jedermann sich über die Partei äußerte.
Man lebte von den Patienten, von denen sehr viele Parteigenossen
waren.
Es war für den Pfarrer keine leichte Lage. Bemerkenswert
war das freundliche Verhältnis zwischen dem evangelischen
und katholischen Pfarrer Fischer von Wildbad. Die Wildbader
katholische Gemeinde hat 1931 mit erheblichen Mitteln aus
Rottenburg in Schömberg eine Kirche gebaut, die zunächst
von Wildbad pastoriert wurde. Vielleicht waren es die einzigen,
die sich in Schömberg offen miteinander aussprechen konnten
Dass es mit dem eigenen Dekan in Neuenbürg nicht möglich
war, habe ich schon angedeutet.
Verhalten der HJ und
des BDM den kirchlichen Jugendverbänden gegenüber.
Die Gründung der HJ und des BDM den kirchlichen
Jugendvereinen gegenüber war ein Befehl Hitlers, der bald
zum Zwang ausartete. Einen christlicher Verein junger Männer
in Schömberg in Gang zu bringen war verschiedentlich
versucht worden. Vikare haben es versucht. Aber sie waren oft
zu kurz da. Die Gründung der HJ entstand damit ohne
Reibereien und Ärger. Es ist aber zu bemerken, dass der
Führer der jüngeren Abteilung streng darauf hielt,
dass während des Gottesdienstes keine Übungen
abgehalten wurden. Er forderte auch seine Buben auf, mit ihm in
die Kirche zu gehen. Anders war es bei den Mädchen. Es
bestand schon länger ein Christlicher Mädchenbund.
Natürlich gelang es eine Reihe von Mädchen abspenstig
zu machen. Aber der Kern des Bundes blieb beisammen trotz aller
Werbung des BdM.
Natürlich wurde auch eine nationalsoziale Frauenschaft
aufgezogen. Durch die Pfarrleute hatte sich schon früher
ein christlicher Frauenkreis ohne jedes Vereinswesen gebildet,
der im.Winter wöchentlich, in den Arbeitszeiten einmal im
Monat im Saal der Kirche zusammenkamen.. Einmal im Jahr machte
man einen Ausflug. Der Pfarrer hielt zu Anfang eine kurze
Andacht, dann wurde vorgelesen und erzählt. Dabei wurde für
Wohlfahrtszwecke gearbeitet. Die Teilnehmerzahl schwankte
zwischen 60 und 70. Auch diese Veranstaltungen hielten sich ohne
Schwierigkeiten durch.
Stark gekürzt.
Siehe Gesamtdatei. Wolfgang Obert
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